Beratungsresistenz in der Beauty-Branche: Ein wissenschaftlicher Ansatz

Beratungsresistenz in der Beauty-Branche: Ein wissenschaftlicher Ansatz

Warum widersprechen Menschen oft der Meinung von Expert/innen? Dieses Phänomen ist gerade in der Beauty-Branche bzw. im kosmetischen Dienstleistungsbereich immer wieder zu beobachten. Der Fachterminus heißt: Beratungsresistenz. Aber woher kommt dieses gegensätzliche Gefühl, Rat zu wollen und dabei gleichzeitig jeden Rat abzulehnen?

Beratungsresistenz: eine Definition

„Keiner Beratung zugänglich“ und „stur, uneinsichtig“ – so wird der Term im Deutschen Duden beschrieben. Konkret bedeutet das: beratungsresistente Menschen weisen wenig bis keine kritikfähigen Eigenschaften auf, tun sich schwer damit, Feedback und Tipps anzunehmen, ohne sich persönlich „angegriffen“ zu fühlen.

Ursachen von Beratungsresistenz

Beratungsresistenz bzw. kritikunfähiges Verhalten lässt sich laut Kuhl und Krettenauer vor allem auf psychologischer Ebene erklären und resultiert aus bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen, die uns Menschen durch unsere Anlage, Umwelt und Selbststeuerung formen. Interessant für die Erklärung eines beratungsresistenten Verhaltens sind vor allem die Umwelt und Selbststeuerung.

Umwelt

So wird der Mensch bereits von Geburt an durch bestimmte äußere Einflüsse geprägt. Das sind zum Beispiel der Erziehungsstil der Eltern oder die Erfahrungen im Kindergarten. Eine besondere Rolle nimmt der erlernte Kommunikationsstil ein. Dazu entwickelte der amerikanische Psychologe Eric Berne bereits vor rund 60 Jahren die sogenannte Transaktionsanalyse. In seiner Arbeit unterteilte er das menschliche Verhalten bei der Kommunikation in drei Zustände: das Eltern-Ich, das Erwachsenen-Ich und das Kind-Ich.

Als Eltern-Ich wird das Kommunikationsverhalten bezeichnet, welches häufig in der Erziehung zu beobachten ist: Zurechtweisung, Korrektur oder Umsorgen des Kindes. Das Kind-Ich hingegen zeigt sich durch neugieriges, albernes und vor allem auch trotziges Verhalten. Zuletzt folgt das Erwachsenen-Ich, geprägt durch eine mehr oder weniger objektive, respektvolle und reflektierte Kommunikation.

Der Mensch ist nun in der Lage, während eines Gespräches, also auch während einer Beratung, zwischen den verschiedenen Bereichen hin- und herzuwechseln. Entscheidend dafür, welcher Ich-Zustand in der Kommunikation gerade aktiv ist, sind Erfahrungen, die Vorgeschichte zur aktuellen Kommunikation, Gefühle und Wünsche.

Wird also beratungsresistentes Verhalten gezeigt, so ist davon auszugehen, dass sich die Person gerade in ihrem Eltern-Ich oder Kind-Ich befindet.

Selbststeuerung

Die Selbststeuerung bezeichnet alle Kräfte, mit denen das Individuum seine Entwicklung aktiv beeinflusst. Es beinhaltet, das „eigene Verhalten zu beobachten, zu bewerten, gezielt zu verstärken und an eigenen Zielen flexibel auszurichten“.

Laut einer wissenschaftlichen Untersuchung zum Thema „Selbststeuerung im pädagogischen und psychologischen Kontext“ kann diese Selbststeuerung durch die Wechselwirkung mit der Anlage und Umwelt, aber auch weiterer Faktoren wie Emotion und Motivation, gestört werden. Dadurch entwickeln sich förderliche wie auch hinderliche Charaktereigenschaften.

Eines dieser hinderlichen Eigenschaften kann laut Hilmer zum Beispiel die Beratungsresistenz sein. „Können sich Menschen niemals ein- und unterordnen, ist das häufig ein Anzeichen für psychische Probleme“, ergänzt Raphael Bonelli. "Prinzipielle Unfähigkeit, auf andere zu hören, ist ein Merkmal narzisstischer Störungen", so der Neurowissenschaftler in einem Interview.

Beratungsresistenz und die Rolle des "inneren Kindes"

Das Konzept des inneren Kindes fand gerade in den letzten Jahren durch die Psychologin Stephanie Stahl und ihrer Veröffentlichung „Das Kind in Dir muss Heimat finden“ Gehör. Sie beschreibt darin, dass vor allem Prägungen aus der Kindheit das heutige Ich beeinflussen. Positive Erfahrungen beispielsweise geben Widerstandskraft, wohingegen negative noch Jahre später für Konflikte sorgen können: Bindungsprobleme, Zukunftsängste und eben auch Kritikunfähigkeit.

Diese negativen Erfahrungen ergeben sich meist aus unbefriedigten Bedürfnissen (nach Maslow: Grundbedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse, Wertschätzung und Selbstverwirklichung) und spiegeln sich in ungesundem Verhalten und emotionalen Mustern im Alltag.

Ein Beispiel:

Kundin: „Meine Freundin hat eine Wimpernverlängerung machen lassen und sieht jetzt einfach super damit aus! Ich glaube die Form heißt „Super Volume“. Die hätte ich auch gerne!“ (zeigt Foto)

Dienstleister/in: „Es freut mich, dass Deine Freundin mit dieser Form zufrieden ist. Jedoch würde ich Dir einen etwas natürlicheren Look empfehlen. Durch die Größe Deiner Augen könnte eine zu extreme Wimpernverlängerung schnell unnatürlich aussehen.“

Kundin: „Ach nein, das wird super aussehen. Ich möchte es gerne so haben wie meine Freundin.“

Dienstleister/in: „Ich rate Dir wirklich von dieser Form ab. Auch die Beschaffenheit Deiner Wimpern ist einfach nicht optimal für die „Super Volume“-Lashes und würde vermutlich viel Schaden an Deinen Naturwimpern anrichten. Das können und möchten wir nicht verantworten. Eine viel gesündere Alternative wären zum Beispiel diese Lashes … Schau mal.“ (zeigt Alternative)

Kundin: „Es ist mir egal. Ich möchte die „Super Volume“-Lashes oder gar keine. Dann gehe ich eben in ein anderes Studio und ihr werdet mich als Kundin verlieren.“

Dienstleister/in: „Das darfst Du gerne tun. Aber auch dort werden sie Dir von dieser Form abraten. Wir möchten nur zu Deinem Besten handeln.“

Kundin: „Darauf kann ich verzichten. Ich weiß schon, was bei mir am besten aussieht.“

Das Beispiel zeigt eine klassische Form von beratungsresistentem Verhalten. Der/die Dienstleister/in argumentiert auf einer fachlich objektiven Ebene, behält dabei die Unternehmenswerte im Blick. Die Kundin fühlt sich jedoch dadurch angegriffen, dass ihrem Wunsch vermeintlich nicht nachgegangen wird. Die Reaktion: trotziges und drohendes Verhalten. Schlussendlich zeigt sie eine Art „Fluchtreaktion“ aus dem Problem, statt sich der Kritik zu stellen.

Interpretiert man dieses Verhalten nach der Psychologin Stephanie Stahl, so lassen sich Defizite in dem Bedürfnis nach Anerkennung feststellen – eventuell musste diese Person in ihrer Kindheit vermehrt um Aufmerksamkeit und Lob kämpfen, was sie unbewusst bis heute beeinflusst.

Fazit: Das Thema Beratungsresistenz ist auch in der Beauty-Branche präsent – vielleicht sogar präsenter denn je. Natürlich bedeutet es nicht gleich, dass jede Person, die sich seinem/ihren Dienstleister/in „widersetzt“, psychische Probleme aufweist. Aber vielleicht hilft dieser Artikel dabei zu verstehen, warum man in gewissen Situationen negativ auf Ratschläge reagiert und kann so sein eigenes Verhalten sowie die Intention der Dienstleister/in besser verstehen.

Warum uns eine gute Beratung so wichtig ist, erfährst Du hier.\xa0

Bildmaterial: Istock',)

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