Die Beauty-Welt macht es vor: schöne, erfolgreiche Frauen mit einem makellosen Körper und strahlend glatter Haut – egal welchen Alters. Und auch die sozialen Medien tragen ihren Teil dazu bei, dass sich immer mehr Frauen dauerhaft miteinander vergleichen. Studien zu den Folgen dieses Ausmaßes gibt es mittlerweile unzählige. Und fast alle sind sich einig: Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Einfluss der Beauty-Branche und Minderwertigkeitskomplexen.
Was sind Minderwertigkeitskomplexe und woher kommt dieses Gefühl?
Der Begriff Minderwertigkeitskomplex wurde von dem Arzt und Psychotherapeuten Alfred Adler aus der Literatur übernommen und beschreibt eine psychische Störung, bei der sich der/die Betroffene minderwertig und unzureichend fühlt. Die Definition von Minderwertigkeitskomplexen begründet sich auf einem negativen Selbstbild.
Die Ursachen für Minderwertigkeitskomplexe sind laut des Psychotherapeuten Sigmund Freud in der Kindheit zu suchen und lassen sich mit mangelnder elterlicher Liebe und Fürsorge sowie unzureichender Anerkennung der kindlichen Leistungen erklären.
Die Folge: Betroffene neigen zu Perfektionismus, sind ständig auf der Suche nach Anerkennung und weisen oft eine fast schon zwangartige Angewohnheit auf, sich mit anderen zu vergleichen. Aber auch depressive Symptome sind bei Minderwertigkeitskomplexen nicht selten.
Was haben Minderwertigkeitskomplexe mit der Beauty-Branche zu tun?
Die Beauty-Welt verkörpert ein strahlendes, sorgloses, perfektes Leben – besonders äußerlich. Also laut Jutel und Buetow genau das, was Menschen mit Minderwertigkeitskomplexen anstreben. Und die Branche macht sich dieses Wissen zunutze, schafft sogenannte „Trigger“: So werden oft mit fragwürdigen Strategien gezielt die Unsicherheiten dieser Personen angesprochen. Eine porenfreie Haut, höhere Wangenknochen, eine kleinere Nase, Schlupflidkorrektur – die Palette der Angebote reicht von A bis Z. Werbemaßnahmen verstärken das Gefühl, man sei nach Behandlung X oder Y vermeintlich glücklicher, werde von Mitmenschen bewundert.
Laut Gilman verstärken genau diese Trigger die Symptome von Minderwertigkeitskomplexen. Betroffene leiden unter dem Gedanken, dass ihr Aussehen im Vergleich zu anderen Leuten minderwertig sei, sie fühlen sich „hässlich“ und „abstoßend“. Das Leben wird dann irgendwann von der Angst bestimmt, nicht gut genug zu sein, keine Stärken und Erfolge zu haben. Die logische Folge: sozialer Rückzug.
Es gibt aber auch Betroffene, die sich genau gegenteilig verhalten: etwas darstellen, was sie nicht sind. So wird gerade in Bezug auf die Beauty-Branche Schönheitsidealen nachgestrebt, die oft ungesund und realitätsfern sind. Wer sich selbst nicht akzeptiert und Angst hat, nicht gut genug zu sein, versucht dies oft zu kompensieren, indem er/sie ein falsches Bild von sich schafft und sich so Anerkennung erhofft.
Hat die Beauty-Branche ausschließlich negativen Einfluss auf Minderwertigkeitskomplexe?
Wie dargestellt, kann die Beauty-Branche nicht nur Minderwertigkeitskomplexe auslösen, sondern sie auch (un)bewusst verschlimmern. Trotzdem kann sie auch einen positiven Einfluss auf den Umgang mit dieser Störung haben (nicht auf die Störung an sich!). Tägliches Zurechtmachen beispielsweise fördert diversen Publikationen zufolge ein Gefühl von Selbstsicherheit und löst Anerkennungszwänge.
Fazit: Minderwertigkeitskomplexe sind eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, die in jedem Fall therapeutisch behandelt werden sollte. Die Beauty-Branche kann einen negativen Einfluss auf diese Krankheit haben – aber genauso ist es auch mit jedem anderen externen Faktor. Umso wichtiger ist es, Resilienz gegen diese Trigger aufzubauen. Denn dann, und nur dann, können Beauty-Treatments einen positiven Beitrag zum Selbst leisten.
Mehr zu diesem Thema im Beitrag "Love yourself: Ein Plädoyer für mehr Selbstliebe bei Frauen"
Bild: Unsplash